Im Irrgarten des Wissens (R: Thorleifur Örn Arnarsson)

© Birgit Hupfeld/hupfeld.org

von Thorleifur Örn Arnarsson, Mikael Torfason und Ensemble

Schauspiel Dortmund

Uraufführung am 25.5.2019

Die Drehbühne fährt ihre Runden. Auf der Bühne die Schemen von Körpern, von Gesten und Gesichtern. Lichtstrahlen fallen durch den Nebel. Ein Mensch erscheint. Es herrscht beinahe Stille. Wir sehen ihn. Wir lernen sie kennen. Er erzählt seine Geschichte. Sie erzählt ihre Geschichte. Und dann zieht es sie wieder in das Dunkel zurück.

Kann die Bühne der Ort sein, wo die Toten mit uns sprechen? Was haben sie uns zu sagen? Und was wir ihnen?

Der isländische Regie-Shootingstar Thorleifur Örn Arnarsson komponiert gemeinsam mit dem Autor Mikael Torfason einen offenen und berührenden Theaterabend, der die Zeit still stehen lässt. Gemeinsam mit dem gesamten Ensemble und dem Sprechchor des Schauspiel Dortmund schöpfen sie aus dem kollektiven Gedächtnis von über 3000 gelebten Jahren auf der Bühne – und weben all diese Erinnerungen zu einem rauschhaften Geflecht aus Geschichten, Szenen, Bildern und Musik. Was bleibt von unserer Existenz? Und kann Theater dabei helfen, das Chaos zu ordnen?

Unterstützt werden sie dabei von der Live-Musik des französischen Multi-Instrumentalisten Gabriel Cazes. Es entsteht ein mehrstündiges Theatererlebnis, das sich von der großen Bühne aus wie ein Flusslauf durch das gesamte Theatergebäude zieht: Nicht nur die Bühne, auch das Studio und die Foyers sind als teils interaktive Ausstellung Teil der Inszenierung. Ein Sommertheaterspektakel, das die Schädeldecke hebt und das Herz im Kreis tanzen lässt.

Im Irrgarten des Wissens ist ein bildgewaltiges und intimes Panoptikum über die Grenzbereiche des Lebens. Über die Vergessenen der Geschichte. Über die Widerhaken, die die Vergangenheit in unsere Leben schlägt.

Mit: Andreas Beck, Bérénice Brause, Gabriel Cazes, Christian Freund, Ekkehard Freye, Björn Gabriel, Frank Genser, Caroline Hanke, Marlena Keil, Frieder Langenberger, Mario Lopatta, Uwe Rohbeck, Uwe Schmieder, Alexandra Sinelnikova, Friederike Tiefenbacher, Merle Wasmuth, Kevin Wilke und dem Dortmunder Sprechchor

Regie: Thorleifur Örn Arnarsson
Bühne, Foyergestaltung: Daniel Angermayr
Kostüme: Mona Ulrich

Musikalische Leitung: Gabriel Cazes
Director of Photography: Voxi Bärenklau

Choreographie: Laura Leora Witzleben

Kuration Foyer: Dirk Baumann
Dramaturgie: Dirk Baumann, Michael Eickhoff, Alexander Kerlin, Anne-Kathirn Schulz, Matthias Seier
Übersetzung: Damiàn Dlaboha
Video: Tobias Hoeft, Laura Urbach
Kostümmitarbeit: Svea Schiemann, Friederike Wörner

Aus den Kritiken:

„Viel Musik und tolle Bilder, die magische Poesie atmen. (…) Der ‚Irrgarten‘ lässt sich als Welttheater und Menschheit-Panorama beschreiben. Vom Anfang der Zeit, vom stammelnden Frühmenschen führt eine Reise bis in die Ideengeschichte der Moderne und zu den Biografien der Dortmunder Schauspieler. (…) Ernst und Jux gehen Hand in Hand durch diesen Irrgarten, und es funktioniert. Zusammengehalten wird es durch das ideenreiche Miteinander der Gewerke. Live-Musik, Videos, Choreografie, Kostüme kreieren starke Szenen für ein Ensemble, das von Arnarsson (…) exzellent geführt wird. (…) Traum-Theater, das verzaubert und berührt, ohne platte Botschaft, dafür mit Herz und Seele.“
Ruhr Nachrichten, 27.5.2019

„Thorleifur Örn Arnarsson spielt mit großen Gefühlen und großen Mythen, setzt auf Ergriffenheit, um sie dann wieder zu brechen. (…) Es verfestigt sich der Eindruck, tatsächlich Zeuge der Erschaffung der Welt zu sein. Die Welt lässt sich nicht mehr mittels einer alles umfassenden Erzählung erklären. (…) Albernes folgt Tragischem, Visionäres kollidiert mit Nichtigem, Enervierendes steht neben Erhabenen, Persönliches neben Weltgeschichtlichem. Jeder Auftritt hat seinen eigenen Zauber. (…) Arnarsson und das Ensemble erinnern sich Toter wie Lebender, der Schrecken wie der Träume, die uns Menschen seit Anbeginn begleiten. (…) Im Theater außerhalb des Saals greift eine von Bühnenbildner Daniel Angermayr arrangierte Ausstellung die auf der Bühne verhandelten Themen auf. (…) Daran schließt der elegischere zweite Teil an (…). ‚Die Bilder werden bleiben‘ steht schließlich auf einem vom Bühnenhimmel herabhängenden weißen Banner. Und so ist es auch. Thorleifur Örn Arnarsson und das Ensemble haben zahllose Bilder gefunden und erschaffen, die bleiben werden.“
nachtkritik, 26.5.2019

„Thorleifur Örn Arnarsson und Mikael Torfason setzen auf das ganze Team, auf die Persönlichkeiten und – wer wollte – auf ihre Texte. Hier steht das Theater auf und gibt sich zum Besten (…). Statt Frontaltheater wird das ganze Bühnenhaus bespielt. Geräuschinstallationen im Obergeschoss, ein Biergarten vor der Tür, Aufgaben zur Selbsterfahrung, wandfüllende grafische Bildzeichen und Videos (…).Natürlich drängt es den Theaterbesucher zur Bühne, wo in der Pause – 90 Minuten, wie jeder will – eine mehrgeschossige Weltenorgel gebaut wird. Daniel Angermayrs Karussell (Bühne, Foyer) ist mit skurrilen Symbolen, Selbstdarstellern und Zivilisationskitsch überfrachtet. (…) Große Leistungsschau einer Sprechtheaterbühne, (…).“
Westfälischer Anzeiger, 26.5.2019

„Der Abend spielt sich zwischen zwei Polen ab. Einerseits Vergänglichkeit – und im letzten Teil dann auch dem Tod. (…) die Drehbühne dreht sich über einen langen Zeitraum hinweg und es werden alle möglichen Themen angespielt. (…) Und auf der anderen Seite steht das Archiv und die Bibliothek von Babel, (…). Es geht einerseits um eine Ordnung, (…), und andererseits aber auch um eine absolute Überforderung, die dadurch entsteht, wenn dieses Archiv gleichzeitig abgerufen wird. (…) Der Abend ist vor allem Schauspielertheater. (…) man kann in der Pause frei rumgehen, man kann sich aussuchen, ob man sich überfluten lässt oder ob man (…) zu sich selber kommt.“
Deutschlandfunk Kultur Fazit, 25.5.2019

„Absolut alles, fast alles, wird auf der Bühne verhandelt: Integration, Überbevölkerung, Krebs, das Nichts, Werbung, Urknall, Sommer, Winter, Geschlechterverhältnisse und vor allem Tod und Leben. (…) Es ist der ganz große Bogen, den die Dortmunder spannen. Zwischen Geburt und Sterben, Leben und Tod. Zwischen der unbeherrschbaren Entropie, die unsere Vergänglichkeit bestimmt, und den von Menschen gemachten Ordnungen. (…) Dieser Abend lebt vom Spiel seiner Schauspieler. Das Individuelle und das menschlich Allgemeine, unser Wissen, bringen sie am besten auf den Punkt.“ 
WDR 5 Scala, 27.5.2019

„Die Inszenierung von Im Irrgarten des Wissens in Dortmund durch Bühnenstar Thorleifur Örn Arnarsson ist Totaltheater und Selbsterfahrungstrip zugleich. (…) In der Pause, angekündigt als 90-minütiges Konzert, erheben sich die Zuschauer und können durch das Theater wandern. Man sieht: gestapelte Amazon-Kartons, Audio- und Videoinstallationen, in einer Ecke kann man meditativ Linsen und Reis sortieren (…). Der Bühnenbildner Daniel Angermayr hat in Großformaten seine sterbende Mutter fotografiert und ihr Totenbett aufgestellt. In Büchern kann man Texte von der Bühne nachlesen, etwa jenen großen von Jorge Luis Borges über die Bibliothek von Babel, den wenig später der Schauspieler Christian Freund von der Bühne spricht.“
Deutschlandfunk Kultur, 26.5.2019

 

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