Bad Banks

Erschienen in DAS THEATERMAGAZIN 5/2018

Es ist erstaunlich, dass es zehn Jahre dauerte, bis sich eine fiktionale Serie der so genannten «Finanzkrise» bedient. Noch dazu eine deutsche – «Bad Banks», nach einer Idee von Produzentin Lisa Blumenberg, produziert von Letterbox Filmproduktion und der luxemburgischen Iris Productions. Koproduziert vom ZDF in Zusammenarbeit mit Arte gab es die nächste Überraschung bei der Ausstrahlung: Nahezu gleichzeitig sendeten die beiden Sender alle sechs Folgen, unmittelbar zuvor waren alle Folgen auf den Mediatheken abrufbar. Ein Erfolgsmodell? Laut ZDF hatte «Bad Banks» schon vor der linearen TV-Ausstrahlung 1,3 Millionen Online-Sichtungen.

Im Mittelpunkt der Serie steht die junge Investmentbankerin Jana Liekam, gespielt von Paula Beer. Startpunkt ist ihr Rauswurf aus dem Investment-Bereich der luxemburgischen «Crédit International Financial Group» – Jana war besser als ihr Vorgesetzter, ein kapitaler Fehler. Es geht eben nicht nur um Leistung, sondern immer auch ums Ego. Wer heute noch dazugehört, ist morgen draußen – alles eine Frage der richtigen (Anlage-)Strategie. Denn bei «Bad Banks» wird alles zu Kapital: Kollegen, Beziehungen, Freundschaften. Nichts gibt es ohne Gegenleistung, jeder kämpft für sich allein. Jana verbündet sich mit der Investment-Chefin Christelle Leblanc, gespielt von Désirée Nosbusch, in ihrem Changieren zwischen undurchschaubarer Zugewandtheit und berechnender Kaltblütigkeit kaum wiederzuerkennen. Leblanc ist die Wegbereiterin für Janas Weggang ins Investment der Frankfurter «Deutsche Global Invest» – beide Frauen verbindet die gesamte Staffel über eine doppelbödige Beziehung.

Der Serie gelingt, was so schwierig zu sein scheint: Sie gewährt einen Einblick in die graue, abgeschottete Welt aus Zahlen und schier unvorstellbaren Geldsummen, ohne dabei erklärerisch zu sein. Sie traut sich – ähnlich wie Amazons «Mister Robot» – den Zuschauer mit Fachtermini wie «Closing» (tatsächlich inflationär gebraucht), «Deal Captain», «Trust» etc. zu bombardieren. Und das funktioniert. Man braucht nicht im Detail zu wissen, worum es sich bei den vielen englischen Fachbegriffen handelt, um der Serie zu folgen. Unterhaltsam, wie die Serie das Finanz-Denglisch sogar aufs Korn nimmt, wenn Jana mal eben schnell das «Cash Sweep Enhancement» erfindet, um den Ex-Kollegen auszustechen. Neben Paula Beer stehen die jungen Darsteller Albrecht Schuch (bekannt u.a. aus «Die Vermessung der Welt» und als Darsteller von Uwe Mundlos in Christian Schwochows «Die Täter – Heute ist nicht alle Tage») und die Entdeckung Mai Duong Kieu im Zentrum – beide spielen Teammitglieder Liekams, die versuchen, Kredite für ein Bauprojekt in Leipzig zu verkaufen. Und ihre berufliche Leistungsmanie privat mit verschiedensten Anomalien kompensieren. Auf der anderen Seite steht Janas Chef Gabriel Fenger, tiefgründig-charismatisch verkörpert vom im deutschen Fernsehen noch recht unverbrauchten Barry Atsma. Der Cast – man kann es nicht anders sagen – ist ein Geniestreich: Statt die tragenden Rollen mit altgedienten Schauspielgrößen zu besetzen, traut sich die Serie, junge Gesichter in der ersten Reihe zu platzieren und Namen wie Tobias Moretti, Jörg Schüttauf oder eben Désirée Nosbusch in den Nebenrollen – dieser Schachzug sorgt für einen im deutschen Fernsehen, gerade im öffentlich-rechtlichen, frischen und unverbrauchten Look.

Gerade Paula Beer dürfte mit ihrer brillanten Interpretation der Jana Liekam der endgültige Durchbruch gelungen sein: Mal gibt sie die kalte, von Ehrgeiz getriebene Karrieristin, mal die verletzliche Frau dahinter, die dem Druck der Finanzwelt kaum standzuhalten weiß. Und hier glänzen Hauptdarstellerin und Serie gleichermaßen: Sie zeigen die widersprüchliche Welt hinter der glatten Bankenfassade, ihre Abgründe, mit denen die Figuren zu kämpfen haben. Die Szene, in der Jana mit Kollegin Thao durchs Frankfurter Nachtleben zieht, zeigt das doppelbödige Spiel: Nachdem sich beide Frauen ihrer gegenseitigen Abneigung versichert haben, entgegnet Thao: «Ich glaube, du bist jetzt meine beste Freundin». Nur um sich anschließend nach allen Regeln der Kunst weiter gegenseitig anzugiften. Wahrheit und Lüge, Freund und Feind liegen nah beieinander. «Welchen Preis hat Deine Moral?» heißt es auf der Website der Serie. Und vor genau diesem Dilemma steht nicht nur Jana, als ihre Intim-Freundin/-Feindin Leblanc Insiderinformationen aus der Global Invest verlangt. Damit ist die Serie im Herzen ihres Titels angelangt: Denn ganz so makellos ist die Bank nicht. Was dafür sorgt, dass nahezu alle Figuren auf dem schmalen Grat zwischen persönlichem Verantwortungsgefühl und Profitgier balancieren.

Regisseur Christian Schwochow ist anzumerken, dass er nicht nur Film kann, sondern auch Theater. Seine Figurenführung ist äußerst präzise, dabei kann er sich auf die Dialoge von Head-Autor Oliver Kienle verlassen, der einen kumpelhaften Dialogton schafft, der in scharfem Kontrast zum Arbeitsklima der Bankenwelt steht. «Bad Banks» hat Mut anders zu erzählen, die Serie traut sich auch die Hauptfigur mit Brüchen auszustatten und nicht als makellose Heldin dastehen zu lassen. Auch Jana opfert Vertraute für den eigenen Vorteil. Und doch ist das Publikum nah dran an ihrer Figur.

Selbstverständlich gibt es auch Kritikpunkte: Dass man Leblanc als Investmentchefin einer großen Bank fast nie arbeiten sieht, stattdessen meist in ihrem schicken Wohnsitz, ist sicher einer davon. Dass die Männerwelt der Banken offenbar nicht ohne Puff und den gezielten Einsatz von Prostituierten auskommt. Dass die Bildgestaltung sehr kühl ist und damit etwas klischeehaft daherkommt. Oder ist das vielleicht alles nur ein getreues Abbild der Realität, die platter ist, als man denkt? Ähnlichkeiten zwischen der fiktiven Global Invest und realen Banken sind jedenfalls sicher nicht zufällig.

Gefeiert von der Presse ist «Bad Banks» auch international auf Erfolgskurs: Erst jüngst wurden die US-amerikanischen Ausstrahlungsrechte an den Streaminganbieter Hulu verkauft – ein vielversprechender Einstieg in den Serienmarkt. Noch vor der deutschen TV-Ausstrahlung wurde eine zweite Staffel beauftragt – für die Macher Segen und Bürde zugleich, denn die Messlatte liegt hoch.

Alle Folgen sind noch bis Ende August in der ZDF-Mediathek verfügbar.