Die Borderline Prozession (R: Kay Voges)

Die Borderline Prozession. Ein Loop um das, was uns trennt
von Kay Voges, Dirk Baumann und Alexander Kerlin

Schauspiel Dortmund

Uraufführung

EINGELADEN ZUM 54. THEATERTREFFEN IN BERLIN!

Ausgezeichnet als „Beste Inszenierung 2015/16“ in Die Deutsche Bühne

Jetzt! 23 Schauspieler, ein bewohntes Haus mit zehn Zimmern, Dachterrasse, Pool, Garage und bewachter Außenfront. Davor ein mysteriöser Parkplatz mit einem verlassenen Plymouth Voyager Van: Ein Innen und ein Außen, scharf getrennt durch eine Mauer aus Beton und Draht. In dem Haus und auf dem Parkplatz die Gleichzeitigkeit des Ungleichen – zahllose Szenen mit über fünfzig Figuren. Das Leben in allen Facetten: Geburt und Tod, Lachen und Tragödie, Liebe und Politik, Handeln und Stillstand, Hoffnung und Verzweiflung, Ankommen und Wegsehnen – Eruptionen von Gewalt und die Sanftmut des Friedens.
Um das Haus zieht die Prozession, die einer Kamera folgt wie einem Heiligtum. Die Kamera gewährt dem Publikum Einblicke in die Poesie des Alltags, die Unbarmherzigkeit der Krise und die Heiligkeit der Erlösung: Da ist der Mann, der Zwiebeln schneidet. Das Paar bei der Abendtoilette. Die Frau am Kiosk. Die einsame Braut. Der traurige Mann an der Hantelbank. Der Junge der auf den Bus wartet. Die frisch gebackene Mutter. Der Kriegsheimkehrer. Kurz: Die Menschen im Haus – und die vor der Tür. Gedanken, Bilder und Musik aus 5000 Jahren Kulturgeschichte. Was hält diese ganze verdammte Schöpfung und ihre zahllosen Einzelteile eigentlich immer noch zusammen?

Die Borderline Prozession: Das ist sensationelles Musiktheater im MEGASTORE, eine Meditation über Grenzen und ein Mash-Up der Ikonographien. Ein Abend mit weit über 30 beteiligten Künstler*innen über die Komplexität der Welt und die provozierende Einfachheit von Geburt und Tod – zwischen Bildender Kunst, Theater, Film und Liturgie. Entwickelt für den MEGASTORE in Dortmund.

Regie: Kay Voges
Director of Photography: Voxi Bärenklau
Bühne: Michael Sieberock-Serafimowitsch
Kostüme: Mona Ulrich
Komposition/Live-Musik: T. D. Finck von Finckenstein
Video-Art/Live-Schnitt: Mario Simon
Dramaturgie: Dirk Baumann, Alexander Kerlin
Live-Texting: Alexander Kerlin
Live-Sound: Joscha Richard
Mit: Andreas Beck, Ekkehard Freye, Frank Genser, Caroline Hanke, Marlena Keil, Bettina Lieder, Eva Verena Müller, Peer Oscar Musinowski, Uwe Rohbeck, Uwe Schmieder, Julia Schubert, Friederike Tiefenbacher, Merle Wasmuth sowie Studierenden des 3. Studienjahrgangs der Folkwang Universität der Künste: Paulina Alpen, Amelie Barth, Carl Bruchhäuser, Thomas Kaschel, Nils Kretschmer, Anja Kunzmann, Lorenz Nolting, David Vormweg, Michael Wischniowski und Raafat Daboul

 

Die Begründung der Theatertreffen-Jury:


„Eine Musik-, Kunst-, Theater- und Filminstallation: philosophisches Totaltheater. Kay Voges vermisst die heutige Welt als rasend Bilder ausspeiende Maschinerie und lotet ihre Auswirkungen auf moderne Bewusstseinszustände aus. Die Zuschauer*innen haben unterschiedliche Einblicke in den gewaltigen 10-Zimmer-Gebäudekomplex in gediegenem Retro-Mittelstands-Schick. Sie sehen atmosphärische Stillleben, inspiriert von Künstlern wie Edward Hopper oder Gregory Crewdson, können sich geistig selbst bedienen aus dem darüber laufenden Musik-Medley und Zitatengewitter. Um sie herum kreist eine Prozession aus 23 Darsteller*innen mit Weihrauch und Gesang, als wolle man die irre gewordenen Weltgeister bannen. Bald wird der zunächst banale Alltag zur Festung gegen eine zusehends eskalierende Krise, die das behagliche Drinnen und den Firnis der Zivilisation durchbricht. „Borderline Prozession“ ist eine Reflexion über den Terror der gleichzeitigen Ereignisse, die wir uns süchtig permanent medial zuführen. Eine Meditation zur allgemeinen Weltverwirrung.“

Aus den Kritiken:

„Kay Voges hat in Dortmund einen großen Abend geschaffen, eine philosophische Welt-Installation über das Draußen und das Drinnen, arm und reich, Grenzen und Übergänge. (…) Eine grandiose Meditation über die Gleichzeitigkeit, über die man eigentlich nicht schreiben kann, weil man sich hineinbegeben muss.“
Nachtkritik, 16. April 2016

„Die Borderline Prozession ist nicht weniger als der Versuch eines Welt-Panoramas und Lebens-Panoptikums. Ein dreistündiger Theater-Brocken von Kay Voges, Dirk Baumann und Alexander Kerlin. (…) Das Bühnenbild von Michael Sieberock-Serafimowitsch ist preiswürdig (…). Vor unseren Augen wird geduscht, geschmust, gestritten, masturbiert und gestorben. (…) Das ist politisch, das hat Biss und trocken bösen Witz. Ein Stück, von dem man in Jahren noch sprechen wird.“
Ruhr Nachrichten, 18. April 2016

„Es ist ein Theater, das sehr stark in der Nähe der Bildenden Kunst ist: eine Performance, eine Installation. (…) Ein völlig faszinierender Abend, ich habe so ein Theater noch nicht gesehen, das gibt es wirklich nur in Dortmund.“
WDR 3, 16. April 2016

„Das vorbeirasende Leben in seiner verwirrenden Gleichzeitigkeit. Immer hat man die Wahl: Entweder sieht man nur einen winzigen Ausschnitt vom Sitzplatz aus, oder man erhascht die Bruchteile der alles umrundenden Kamera. (…) Jederzeit könnte das behagliche Drinnen zu Ende, der Firnis der Zivilisation durchbrochen sein. Kay Voges hat in Dortmund einen großen Abend geschaffen, eine verstörende Lebens-Geisterbahn, die jeden auf sich selbst zurückwirft: philosophisches Totaltheater und eine grandiose Meditation über die Verwirrung der Welt.“
Deutschlandfunk, 19. April 2016

„Eine Reflexion der Gegenwart in einem Theaterereignis, das zum Gesamtkunstwerk aus Schauspiel, Musik, Film, Raumkunst und Ritual strebt. (…) Ein Bilderrausch, bei dem alles im Moment geschieht, nichts aus der Konserve kommt. (…) Voges hat sein Totaltheater perfektioniert. Was hier geschieht, ist aufregend, überraschend und frisch. Die Borderline Prozession hat viele Zuschauer verdient. Und es wäre zu schade, wenn es für sie nur eine Spielzeit gäbe.“
Westfälischer Anzeiger, 17. April 2016

„Ein einmaliger Besuch wird hier kaum ausreichen, denn bei Voges ist die Überforderung Programm: 23 Schauspieler, zehn davon Folkwang-Studenten, tauchen hier in rund 50 Rollen auf. (…) Was Voges hier gelingt und was in seiner Komplexität zu beschreiben kaum noch möglich ist, das kann man sich derzeit eigentlich an keinem anderen Theater des Landes vorstellen. Es ist ein großer Abend.“
WAZ, 18. April 2016

„Voges, Baumann und Kerlin versuchen mit dem Mammutprojekt, auch eine neue Form für das Theater im Digitalzeitalter zu finden. (…) Das Publikum muss zum User werden. Die Bühne gerät zum gesellschaftlichen Panoptikum: (…) eine Ästhetik der Überforderung, die immer wieder in Gewalteruptionen ausartet. Krieg, Terror, Flüchtlingskrise – der Ausnahmezustand wird als grauenvolle Gleichzeitigkeit inszeniert. (…) Ausgeflippt, abgefahren und anstrengend: Die Borderline Prozession ist eine einzige geniale Zumutung. Eine nervenaufreibende Meditation über 2000 Jahre 
(un)menschliche Kulturgeschichte.“
trailer, 17. April 2016

 

  • © Marcel Urlaub